Lied

Lied

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Lied [li:t], das; -[e]s, -er:
zum Singen bestimmte Einheit aus Melodie und einem meist aus mehreren Strophen bestehenden Text:
ein altes, fröhliches, trauriges, besinnliches Lied; wir sangen alle 13 Strophen des Liedes.
Zus.: Danklied, Frühlingslied, Hirtenlied, Karnevalslied, Kinderlied, Kirchenlied, Seemannslied, Wanderlied, Weihnachtslied.

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Lied 〈n. 12
1. sangbares, vertontes Gedicht mit meist gleichgebauten Strophen u. Versen (Kinder\Lied, Kirchen\Lied, Kunst\Lied, Schlaf\Lied, Volks\Lied)
2. Melodie, Weise (Vogel\Lied)
● das \Lied der Nachtigall ● ein \Lied anstimmen, lernen, singen; davon kann ich ein \Lied(chen) singen 〈fig.; umg.〉 davon könnte ich viel erzählen, damit habe ich unangenehme Erfahrungen gemacht ● es ist immer das alte \Lied! 〈fig.〉 es ist immer das Gleiche; geistliches, weltliches \Lied ● das ist das Ende vom \Lied so endete die Angelegenheit; und das Ende vom \Lied wird sein, dass ... 〈umg.〉 und es wird noch so weit kommen, dass ... [<ahd. liod „Strophe, Lied“, got. liuþon „(lob)singen“ <germ. *leuþa- <idg. *leut- „Preislied“]

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Lied , das; -[e]s, -er [mhd. liet, ahd. liod, H. u.]:
1. auf eine bestimmte Melodie gesungenes [lyrisches] (meist aus mehreren gleich gebauten u. gereimten Strophen bestehendes) Gedicht; Melodie, die einem Gedicht unterlegt ist:
ein ernstes, heiteres, fröhliches, trauriges L.;
ein altes, volkstümliches, geistliches L.;
das L. (der Gesang) der Nachtigall;
das L. hat drei Strophen;
-er ohne Worte (Musik; einem Lied ähnliche Instrumentalstücke);
schmutzige -er (Lieder mit derbem, vulgärem Text) singen;
ein L. schmettern, anstimmen;
ein L. auf der Gitarre spielen, vor sich hin summen;
Ü es ist immer das alte L. mit dir (ugs.; es ist immer dasselbe, es ändert sich nichts zum Guten);
von etw. ein L. singen können/zu singen wissen (über etw. aus eigener unangenehmer Erfahrung zu berichten wissen).
2.
a) epische Dichtung:
die -er der Edda;
das L. von der Glocke;
b)
das Hohe L. (Buch des Alten Testaments, Hohelied: im Hohen L.; in Salomos Hohem L.)

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I
Lied
 
[mittelhochdeutsch, liet = »Strophe«]. Der Terminus »Lied« (amerikanisch Song) hat sich auch im 20. Jahrhundert in der Schlager- und Tanzmusik, im Jazz und im Rock erhalten, oft mit speziellen Begriffen kategorisiert, z. B. Popular Song, Standard, Evergreen, Oldie, Traditional, häufig gleichgesetzt mit dem umgangssprachlichen »Titel«.
II
Lied,
 
sangbare lyrische Gattung, meist aus mehreren gleich gebauten und gereimten Strophen. Der Begriff Lied bezeichnet im Germanischen ursprünglich allgemein Gesungenes; bezeugt sind altnordisch »ljóȓ« (»gesungener Zauberspruch«), ferner altenglische, althochdeutsche und mittelhochdeutsche Klage-, Zauber-, Spott-, Freundschafts-, Braut- und Arbeitslieder. Lied bezeichnet auch balladeske und epische, im Sprechgesang vorgetragene Dichtung. Der heute geläufige (verengte) Liedbegriff ist bis ins 17. Jahrhundert essenziell mit der Melodie verbunden, wie jetzt noch beim anonymen Volkslied und dem Gesellschaftslied; das Kunstlied tritt danach auch als eigenständiges literarisches Produkt auf, das vertont werden kann.
 
 
Literarisch fassbar wird das deutsche Lied erstmals in den noch deutlich von der Hymne karolingischen Geistes geprägten religiösen Lieds wie dem »Petrus-L.« und dem nur in lateinischer Übertragung überlieferten »Gallus-L.« des Sankt Gallener Klosterlehrers Ratpert (um 880), eigentlich aber im Sinne eines »echt liedhaften Charakters bei strophischer Gliederung« (Günther Müller) mit dem »Melker Marienlied« (Mitte 12. Jahrhundert), seit dem 12. Jahrhundert v. a. mit den höfischen Liedern des Minnesangs. Diese sind dann, neben der Spruchdichtung im 13. und 14. Jahrhundert, besonders formales Vorbild des Meistersangs im 15. und 16. Jahrhundert. Während diese Kunstform des Lieds nach der Mitte des 16. Jahrhunderts zunehmend zurückgedrängt wird, bleiben Volkslied und, unter dem Einfluss der Reformation, das volkssprachliche Kirchenlied lebendig. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts entwickelt sich ein neuer Liedtypus, zum einen durch Anknüpfung an die Lyrik der italienischen Renaissance (Villanelle) wie bei J. Regnart (»Kurtzweilige teutsche Lieder«, 1576), zum anderen durch die Aufnahme der literarischen Traditionen der (lateinischen) humanistischen Kunstlyrik des 15. und 16. Jahrhunderts sowie die Orientierung an französischen und niederländischen Vorbildern (M. Opitz). Eine gefühlsbetonte Ausweitung des zunächst v. a. ästhetisch-rationalistischen barocken Lieds erfolgte zuerst in den geistlichen Liedern (F. Spee von Langenfeld, Angelus Silesius, P. Gerhardt u. a.), v. a. dann in denen des Pietismus. Im Gefolge von F. G. Klopstocks Dichtung werden Form und Sprache auch im Lied zum Ausdruck sentimentalischen Empfindens (»empfindsames« Seelenlied); neu entdeckt werden auch die gemüthaft-natürlichen Volksliedtraditionen (u. a. M. Claudius, G. A. Bürger). In Goethes Liedern sind die Echtheit individuellen Erlebens und gesetzhaft-klassischer Form organisch verbunden. Die weitere Entwicklung des Lieds im 19. Jahrhundert hat den goetheschen Typus nur modifiziert, zum Teil durch Übersteigerung des Gefühlhaften oder der Klangreize (C. Brentano, L. Tieck, Novalis, N. Lenau), durch Betonung des Volksliedhaften (J. von Eichendorff, L. Uhland, J. Kerner), durch neue Themen (z. B. politisch-nationales Lied, E. M. Arndt) oder Überbetonung des Formalen (F. Rückert; Münchner Dichterkreis). Seit dem Symbolismus und Impressionismus wird das Lied immer weniger sangbar und tritt seit dem Expressionismus hinter andere lyrische Ausdrucksformen zurück. Formgeschichtlich und literatursoziologisch setzt das literarische Chanson die Liedtradition fort.
 
 
unterscheidet man Strophenlieder, bei denen alle Textstrophen auf die gleiche Strophenmelodie gesungen werden, und durchkomponierte Lieder, bei denen jeder Textstrophe eine neue Melodie zugeordnet wird.
 
Als umgangsmäßig überlieferter Gesang gehört das Volkslied mit seinen vielen Sonderformen (z. B. Arbeitslied, Soldatenlied) allen Zeiten und Völkern an. Als Kunstlied treten in Europa deutliche Ansätze seit dem Mittelalter hervor, und zwar im Anschluss an die lateinische Strophendichtungen; Hymnus und Sequenz, Troubadours und Trouvères, Minnesang und Meistersang zeigen die reiche Entfaltung einstimmiger Liedkunst über mehrere Jahrhunderte. In der mehrstimmigen Musik wird liedhafte Gestaltung nach 1200 im Conductus und der Motette greifbar, im 14. Jahrhundert im nordfranzösischen Diskantlied (Kantilenensatz) sowie in Formen der italienischen Trecento-Musik (italienische Musik).
 
Die Geschichte des mehrstimmigen Lieds beginnt nach Ansätzen bei Oswald von Wolkenstein mit den schlichten dreistimmigen Sätzen, aufgezeichnet in den Liederhandschriften des 15. Jahrhunderts, und wird fortgesetzt durch das kunstvollere Tenorlied (H. Isaac, P. von Hofhaimer, L. Senfl). Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wird der Liedsatz unter italienischem Einfluss (Villanelle, Kanzonette) zunehmend durch Oberstimmenmelodik und akkordische Harmonik geprägt und führt u. a. zum instrumental begleiteten Sololied (z. B. Lautenlied). Der Generalbasssatz des 17. Jahrhunderts wurde auch für die Liedkomposition verbindlich, die unter dem Einfluss der Monodie affektdarstellende Züge gewann. Von barocken Dichtern (M. Opitz, P. Fleming, P. Gerhardt) angeregt, bildeten sich eine Reihe regionaler Schulen, darunter um H. Albert und A. Krieger als bedeutendste Liedkomponisten. Doch trat das einfache Lied im Laufe des 17. Jahrhunderts mehr und mehr zurück und stand v. a. im 18. Jahrhundert im Schatten der Opernarie beziehungsweise nahm selbst ariose Züge an. V. Rathgebers »Augsburger Tafel-Confect« (1733-46) und Sperontes' »Singende Muse an der Pleiße« (1736-45) sind hier erwähnenswert.
 
Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam es zu wesentlichen Neuansätzen durch die erste und namentlich die zweite Berliner Liederschule (Berliner Schule; J. A. P. Schulz, J. F. Reichardt, C. F. Zelter). Einfachheit, Volkstümlichkeit und echter Gefühlsgehalt ihrer Kompositionen bereiteten den Boden für eine stärkere Schätzung des Liedes. Gleichzeitig wandelte sich die starre Generalbassbegleitung zum selbstständigeren Klaviersatz. Während für die Wiener Klassiker das Liedschaffen insgesamt am Rande lag, wurde das klavierbegleitete Kunstlied, auch als Liedzyklus, durch F. Schubert erstmals zu seiner Vollendung und einem Reichtum an Gestaltungsmöglichkeiten geführt, die es lange Zeit zu einer der führenden musikalischen Gattungen werden ließen. Poetisch gehobene Deklamation der Singstimme, Nachzeichnung und eigenständige Deutung des Gedichts, v. a. auch durch einen stimmungsvoll charakterisierenden Klavierpart, sowie Fülle und Neuheit der verwendeten Formen vom einfachen Strophenlied bis zum durchkomponierten Lied sind die Kennzeichen der Liedkomposition im 19. Jahrhundert. Bedeutende Komponisten nach Schubert waren zunächst C. Loewe, R. Schumann und J. Brahms (der sich bewusst wieder der Einfachheit des Volkslieds näherte), zum Jahrhundertende hin H. Wolf (der die Textdeklamation und die interpretierende Bildhaftigkeit des Klaviersatzes aufs Äußerste steigerte), H. Pfitzner, R. Strauss und G. Mahler, die beiden Letzteren auch für die Gattung des Orchesterliedes. Daneben hatte namentlich im 19. Jahrhundert die am Kunstlied orientierte Gattung auch erheblichen Einfluss auf die Instrumentalmusik, besonders unter den Charakterstücken für Klavier (Lieder ohne Worte). Innerhalb der nationalen Schulen ragten in Russland im 19. Jahrhundert M. Mussorgskij, in Frankreich um die Jahrhundertwende G. Fauré, C. Debussy, M. Ravel und Henri Duparc als Liedkomponisten hervor. Auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zumal in atonaler Kompositionsweise, entstanden noch eine Reihe bedeutender Lieder und Liedzyklen (A. Schönberg, A. Webern, P. Hindemith, E. Křenek, H. Eisler). Auf dem Hintergrund einer neuen Einstellung gegenüber dem Wort-Ton-Verhältnis, die auf eine kompositorische Verschmelzung von Sprache und Klang abzielt, ist der Liedbegriff in der Musik nach 1950 insgesamt unscharf geworden. Seit den 80er-Jahren lässt sich eine erneute Zuwendung zum klavier- oder orchesterbegleiteten Lied feststellen. So traten Komponisten wie W. Killmayer, A. Reimann, G. Bialas, W. Rihm und M. Trojahn mit Liedern oder Liedzyklen u. a. nach Texten von F. Hölderlin, A. Wölfli, Ingeborg Bachmann und P. Celan hervor.
 
 
M. Friedländer: Das dt. L. im 18. Jh., 3 Tle. (1902, Nachdr. 1970);
 W. Vetter: Das frühdeutsche L., 2 Tle. (1928);
 F. Gennrich: Grundr. einer Formenlehre des mittelalterl. L. (1932, Nachdr. 1970);
 
Das außerdeutsche Solo-L. 1500-1900, hg. v. F. Noske (1958);
 H. J. Moser: Das dt. L. seit Mozart (21968);
 W. Suppan: Dt. L.-Leben zw. Renaissance u. Barock (1973);
 I. Scheitler: Das geistl. L. im dt. Barock (1982);
 S. Kross: Gesch. des dt. L. (1989);
 D. Fischer-Dieskau: Schubert u. seine Lieder (1996).

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Lied, das; -[e]s, -er [mhd. liet, ahd. liod, H. u.]: 1. auf eine bestimmte Melodie gesungenes [lyrisches] (meist aus mehreren gleich gebauten u. gereimten Strophen bestehendes) Gedicht; Melodie, die einem Gedicht unterlegt ist: ein ernstes, heiteres, fröhliches, trauriges L.; ein altes, volkstümliches, geistliches L.; das L. (der Gesang) der Amsel, Nachtigall; das L. hat drei Strophen; -er ohne Worte (Musik; einem Lied ähnliche Instrumentalstücke); ich besauf' mich nicht in der Öffentlichkeit, und ich sing' auch keine schmutzigen -er (Lieder mit derbem, vulgärem Text), wenn ich blau bin (H. Gerlach, Demission 168); ein L. intonieren, schmettern, anstimmen; ein L. auf der Gitarre spielen, vor sich hin summen; Ü es ist immer das alte L. mit dir (ugs.; immer dasselbe; es ändert sich nichts zum Guten); *von etw. ein L. singen können/zu singen wissen (über etw. aus eigener unangenehmer Erfahrung zu berichten wissen): die Krankenhäuser und Pflegeheime wissen ein L. zu singen, wie schwer jemand für Dienstleistungen zu gewinnen ist (Gruhl, Planet 156). 2. a) epische Dichtung: die -er der Edda; das L. von der Glocke; b) *das Hohe L. (Buch des Alten Testaments): im Hohen L., in Salomos Hohem L.

Universal-Lexikon. 2012.

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